Kinder- und Jugendhilfe

Kinder- und Jugendhilfe
Kinder- und Jugendhilfe,
 
Bezeichnung für die staatlichen und sonstigen öffentlichen Maßnahmen zur sozialen Förderung von Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen. Am 1. 1. 1991 hat das Gesetz zur Neuordnung des Kinder- und Jugendhilferechts vom 26. 7. 1990 (Kurzbezeichnung Kinder- und Jugendhilfegesetz) nach einer 30-jährigen Reformdiskussion das Jugendwohlfahrtsgesetz von 1922 abgelöst. In den neuen Ländern trat das Gesetz im Rahmen des Einigungsvertrages mit besonderen Übergangsvorschriften bereits am 3. 10. 1990 in Kraft. Es ist als 8. Buch in das Sozialgesetzbuch (SGB VIII) eingearbeitet und bildet die Rechtsgrundlage für die Tätigkeit der Jugendämter und Landesjugendämter sowie für deren Zusammenarbeit mit den Verbänden und nichtstaatlichen Organisationen (Träger der freien Jugendhilfe).
 
Zentrales Anliegen des Gesetzes ist es, Kinder und Jugendliche in ihrer Entwicklung umfassend zu fördern und jungen Erwachsenen bei der Stärkung von Eigenverantwortlichkeit und Selbstständigkeit zu helfen. Leistungen der Jugendhilfe sollen die Erziehung in der Familie unterstützen und ergänzen. Mit einem präventiven Angebot soll Kindern, Jugendlichen und Eltern nicht nur dann geholfen werden, wenn die Erziehung in der Familie ernsthaft gefährdet ist, sondern fachlich kompetente Beratungsangebote sollen schon vor dem Notfall gegeben werden. Hilfe ist vorgesehen für Familien, wenn ein Partner ausfällt, für Kinder und Jugendliche, wenn die Eltern sich trennen. Außerdem will Jugendhilfe Kindern und Jugendlichen, deren Eltern auf längere Zeit ihren Aufgaben nicht nachkommen können, in Pflegefamilien und Heimen Entwicklungsperspektiven geben und benachteiligten jungen Menschen zu Startchancen für ein selbst verantwortetes Leben verhelfen.
 
Hauptansatz des neuen K.- und J.-Rechts ist die rechtliche Fixierung eines neuen Verständnisses von Jugendhilfe. Dabei orientiert sich das differenzierte Leistungs- und Aufgabenspektrum an den unterschiedlichen Lebens- und Erziehungssituationen von Kindern, Jugendlichen und Eltern. K.- und J. wird jetzt nicht mehr in erster Linie als Kontroll- und Eingriffsinstanz verstanden, die der Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung oder der Gefahrenabwehr verpflichtet ist, sondern als eine präventiv angelegte, von den Hilfe Suchenden gewünschte und mitgestaltete soziale Dienstleistung. Das neue K.- und J.-Recht bezieht sich konkret auf die unterschiedlichen Lebenslagen und Erziehungsfragen. So umfasst es differenzierte Leistungen für die Jugend- und Jugendsozialarbeit, den erzieherischen Kinder- und Jugendschutz, die Förderung der Erziehung in der Familie, die Förderung von Kindern in Tageseinrichtungen und in der Tagespflege sowie ein breites Spektrum individueller Erziehungshilfen. Den klassischen Erziehungshilfen - Unterbringung im Heim oder in einer Pflegefamilie - werden gleichrangig ambulante und teilstationäre Hilfen zur Seite gestellt. Eingriffe in die Familie treten in den Hintergrund. Die Autonomie der Hilfe Suchenden soll gestärkt, ihre eigenständigen Möglichkeiten zur Hilfe und Selbsthilfe sollen aktiviert werden. Andere Aufgaben der K.- und J. sind die Inobhutnahme von Kindern und Jugendlichen in Notfällen, die Mitwirkung in Verfahren vor dem Vormundschafts- und Familiengericht sowie vor dem Jugendgericht, Beratung und Unterstützung von Pflegern und Vormündern.
 
Neben den sozialpädagogischen Innovationen bestätigt das neue K.- und J.-Recht Grundprinzipien deutscher Jugendhilfe: Diese gehört wie auch die Sozialhilfe traditionell zu den Aufgaben kommunaler Selbstverwaltung. Das bedeutet, auf der »öffentlichen« Seite werden die Aufgaben der K.- und J. hauptsächlich von den Jugendämtern bei den Kreisen und kreisfreien Städten wahrgenommen. Planende und koordinierende Funktionen kommen den Landesjugendämtern zu. Des Weiteren soll durch das neue Gesetz die partnerschaftliche Zusammenarbeit von öffentlichen und freien Trägern der Jugendhilfe gestärkt werden. Damit wird aufgrund einer engen Kooperation bereits in der Planungsphase ein vielfältiges Angebot gewährleistet. Die Träger der freien Jugendhilfe sind breit gestreut, von zahlreichen örtlichen Selbsthilfegruppen über die Vereine bis hin zu den Kirchen und bundesweit organisierten Jugend- und Wohlfahrtsverbänden. Befristet enthielt das Gesetz wegen der neuen kostenintensiven Aufgaben, die mit dem K.- und J.-Gesetz auf die kommunalen Gebietskörperschaften zukamen, und wegen der völlig unterschiedlichen örtlichen und regionalen Rahmenbedingungen besondere Übergangsvorschriften. Seit dem 1. 1. 1995 gilt das Gesetz ohne Einschränkung. Als wichtige Änderung und Erweiterung des Gesetzes zur Neuordnung des K.- und J.-Rechts wurde im Rahmen des Schwangeren- und Familienhilfegesetz vom 27. 7. 1992 für jedes Kind ab dem vollendeten dritten Lebensjahr auch ein Rechtsanspruch auf einen Kindergartenplatz eingeführt (Kindergarten). Dies stellt eine zentrale sozialpolitische Begleitmaßnahme bei der Neuregelung des Schwangerschaftsabbruchs dar.
 
In Österreich sind die Grundsätze über Mutterschafts-, Säuglings- und Jugendfürsorge im Jugendwohlfahrtsgesetz vom 15. 3. 1989 geregelt. In der Schweiz fällt die Jugendhilfe weitgehend in die Zuständigkeit der Kantone. Nur wenige Kantone kennen ein besonderes Jugendhilfe- oder Jugendschutzrecht. Neben der öffentlichen Jugendhilfe bestehen zahlreiche private Institutionen der gemeinnützigen Jugendhilfe.

Universal-Lexikon. 2012.

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